Mehrere Menschen arbeiten in Großraumbüro

Schöne neue Bürowelt

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Berlitz

Hundert Jahre lang änderte sich im Büro nichts. In diesen hundert Jahren wurden das Automobil, die Antibabypille und der Airbag erfunden – und noch so manches mehr. Doch bis weit in die 1980er ähnelten Büros den preußischen Schreibstuben. Unwirtliche Orte kafkaesker Anmutung, in denen vermeintliches Sozialprestige und ein sicherer Arbeitsplatz mit Blut, Schweiß und Tränen bezahlt wurden. Die Zeiten haben sich seither geändert: Die digitale Revolution bescherte Angestellten einen gut vernetzten Arbeitsplatz, weniger Papierberge und so manche Annehmlichkeit. Schließlich setzte sich auch die Erkenntnis durch, dass ein optimal gestaltetes Arbeitsumfeld zur Steigerung der Effizienz und Kreativität beiträgt. Aus der muffigen Schreibstube wurde ein freundlicher Arbeitsplatz mit ergonomischen Möbeln, klimatisierten Räumen, Feng-Shui-Elementen, kommunikativen Ecken und Kaffeevollautomat.

40 Prozent der Mitarbeiter können sich im Büro nicht konzentrieren

Genützt hat die sanfte Revolution im Büro indes subjektiv nicht viel: Jeder Zweite glaubt, dass sein Arbeitgeber sein Wohlbefinden am Arbeitsplatz nicht aktiv fördert. 40 Prozent können sich im Büro nicht konzentrieren oder empfinden ihren Arbeitsplatz gar als anstrengend. Jeder Vierte mag sein Büro überhaupt nicht, so das Ergebnis der „Wellbeing“-Studie von Ipsos und Steelcase. In Zeiten des demografischen Wandels, in denen qualifizierte Mitarbeiter rar werden, müssen also neue Konzepte her, um den Arbeitsplatz „Büro“ attraktiv zu machen und Fachkräfte an das Unternehmen zu binden. Der Einsatz intelligenter Bürosysteme ist eine Lösung, die sich zeitnah umsetzen lässt. Aber wie sieht der Büroarbeitsplatz in zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahren aus?

Die Zukunft gehört der Projektarbeit

Das Hologramm schwebt frei im Raum und wird über Sprache und Gesten gesteuert. Die Daten, die zum Arbeiten benötigt werden, sind via Cloud-System überall auf der Welt verfügbar. PCs, Tastaturen, Monitore und Telefone gehören der Vergangenheit an. In seiner technischen Ausstattung erinnert das Büro von morgen an eine Kommandozentrale aus einem SciFi-Film. Darüber hinaus sind sich Experten sicher, dass der Arbeitsplatz von Morgen vor allem eines sein wird: grenzenlos. Durch moderne Technologien ist es möglich, von jedem Ort der Welt aus miteinander zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten. Kommunikation – ob face-to-face oder virtuell – und Teamarbeit werden künftig eine viel größere Bedeutung erlangen. Und die Zukunft ist projektorientiert, die Mitarbeiter engagieren sich immer in neuen Teams mit neuen Kollegen, in denen sie ihr jeweiliges Fachwissen einbringen. Auch Berufs- und Privatleben werden nicht mehr klar voneinander getrennt sein, die Grenzen zwischen den einzelnen Bereichen werden sich auflösen. Das Büro wird zunehmend zur kommunikativen Schnittstelle von virtueller und realer Welt, der Ort, an dem Menschen sich austauschen. Der Platz, an dem neue Ideen entstehen und weiterentwickelt werden.

Die Zukunft hat schon begonnen

Adidas

Beim Sportartikelhersteller adidas in Herzogenaurach hat die Zukunft schon begonnen: In dem im August 2015 eingeweihten Bürokomplex „Pitch“, zu Deutsch: Spielfeld, will der Branchenriese mindestens ein Jahr lang neue Jobkonzepte erproben. So gibt es in dem neuen Bürogebäude auf jedem der drei Stockwerke andere Möbel, andere Besprechungsräume und unterschiedliche Entspannungszonen und Sitzecken. Herzstück des Konzepts: Es gibt keine festen Arbeitsplätze mehr, die Mitarbeiter suchen sich den Arbeitsplatz aus, der am besten zu ihnen und dem täglichen Aufgabengebiet passt. Die persönlichen Gegenstände werden abends in einem Spind verstaut. Großes Augenmerk wurde auf die vielen unterschiedlichen Besprechungsräume gelegt, aber auch Ruhe- und Sportzonen wurden im „Pitch“ eingerichtet. „Die Vision soll eine Atmosphäre schaffen, die Flexibilität und Zusammenarbeit fördert, während sie zur gleichen Zeit Hierarchien beseitigt“, formuliert adidas das Ziel der neuen Bürowelten. Mit dem Spielfeld sollen wichtige Daten für das zukünftige Arbeitsplatzmodell der adidas-Gruppe gesammelt werden.

Google, Facebook & Co.

Verspielt geht es auch bei Google in Hamburg zu: Hier durften die Innenarchitekten der Fantasie freien Lauf lassen. Jedes Stockwerk hat ein eigenes Thema, die Besprechungsräume sind auf das jeweilige Thema abgestimmt – die Bandbreite reicht von Verkehr über Sport bis hin zu Meer. Auch bei google haben Besprechungen und Konferenzen einen großen Stellenwert. Videokonferenzen fördern die weltweite Kommunikation der Mitarbeiter. Andere Unternehmen aus dem Bereich Neue Medien und IT – von Microsoft über Facebook bis Twitter – stehen in Sachen neue Bürokonzepte google in nichts nach. Längst sind moderne Bürokonzepte nicht mehr Start-ups vorbehalten.

Mars und Basler Versicherung

Auch der Lebensmittelhersteller Mars in Verden setzt auf moderne Jobkonzepte: Die neue Arbeitswelt auf rund 1000 Quadratmetern präsentiert eine Mischung aus offenen Arbeitsplätzen, Oasen, Besprechungsnischen und Erholungszonen. Außerdem dürfen Hunde ihre Besitzer zur Arbeit begleiten – und tragen so zu einer angenehmen Arbeitsatmosphäre und zum Stressabbau bei. Die Basler Versicherung beteiligt sich an dem Pilotversuch „Neue Basler Arbeitswelt“ und testet mit ihren Mitarbeitern eine Kombination aus konventionellen Arbeitsplätzen in der Homebase, Quiet Zones, Business Gardens und Thinktanks.

Neue Räume und neue Strukturen

Bis der neue Wind flächendeckend durch alle Büros und Amtszimmer wehen kann, werden indes noch einige Jahre ins Land gehen. Kleine und mittlere Unternehmen werden ohnehin andere Lösungen suchen müssen. Der Designer Thomas Huth sieht künftiges Bürodesign eng mit der Struktur im Unternehmen verknüpft, neues Arbeiten erfordere immer auch eine Neustrukturierung. „Unabhängig von einem Budget sollte eine Firma unter Einbindung der Mitarbeiter Visionen eines zukünftigen Büros entwickeln“, empfiehlt er im Interview mit dem digitalen Work- und Lifestylemagazin „wellbeingworkplace.de“. Eine Lösung für kleine Unternehmen kann zum Beispiel sein, den Anteil der Arbeit im Home Office zu steigern – mit modernen Cloud-Systemen kann schließlich von jedem Ort der Welt aus gearbeitet werden. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Präsenz- und flexiblen Arbeitszeiten, wie es zum Beispiel bei Vodafone Deutschland praktiziert wird, lässt sich auch in anderen Branchen und kleinen Betriebsgrößen umsetzen. Solche Konzepte verschlanken Betriebsflächen und sparen Mittel, die im Idealfall in eine hochwertige und zukunftsfähige Ausstattung investiert werden.