Vier Personen besprechen ein Projekt an einer Wand

Was Big Data für das Personalmanagement bedeutet

Author

Berlitz

Wer Big Data hört, denkt fast automatisch an Big Brother, also an Überwachung und Datenmissbrauch, etwa durch die Internetgiganten Google, Facebook & Co. Big Data bietet aber auch Chancen: Unternehmen verbessern mit Kundendaten ihre Dienstleistungen und Produkte. Aber auch Informationen über die eigenen Mitarbeiter sind für Arbeitgeber interessant. Datenerhebung und -auswertung beim eigenen Personal nennt man auch People Analytics. In unserem Beitrag erklären wir, was hinter dem Begriff steckt, welche Chancen und Risiken es birgt – und inwiefern Unternehmen damit bessere Personalentscheidungen treffen können.

Jeder, der mit dem PC oder dem Smartphone online unterwegs ist, hinterlässt Datenspuren über persönliche Vorlieben, Interessen und anderes – und dies massenhaft. Die Auswertung dieser zahlreichen Nutzerinformationen wird mit dem Begriff Big Data beschrieben. Die Haltung dazu ist – blickt man auf die gesellschaftliche Debatte – höchst ambivalent. Befürworter sehen vor allem die Potenziale, die in tausenden und abertausenden gesammelten Bewegungsprofilen, Gesundheitsdaten, Informationen zum Kaufverhalten und vielem mehr schlummern. Mit solchen Daten lassen sich Dienstleistungen personalisieren, die Früherkennung von Krankheitsrisiken verbessern oder auch die städtische Infrastruktur intelligenter planen. Die Kritiker von Big Data hingegen verweisen – spätestens seit dem von Edward Snowden enthüllten NSA-Skandal – vor allem auf die Verletzung von Persönlichkeitsrechten auf Grund mangelhafter Anonymisierung und ständiger Überwachung der Bürger.

Was ist mit People Analytics gemeint?

Big Data ist, abseits dieser Debatten, in vielen Fällen längst Realität. Unternehmen etwa setzen Big Data ein, um beispielsweise anhand von Kundendaten ihre Produkte und Dienstleistungen genauer auf die Bedürfnisse der potenziellen Käufer abzustimmen.

Relativ neu ist die Verwendung großer Datensätze im Personalmanagement. Diese wird inzwischen mit dem Begriff People Analytics beschrieben. Synonyme dafür sind Human-Resource- bzw. HR-Analytics und Workforce Analytics. Grundsätzlich geht es darum, Informationen über Mitarbeiter zu sammeln, auszuwerten und auf Grundlage dieser Daten (bessere) Entscheidungen zu treffen. Google gehörte zu den Pionieren in diesem Bereich. 2009 veröffentlichte das Unternehmen die Ergebnisse seiner Studie „Oxygen“. Google hatte seine Mitarbeiter befragt, wodurch sich eine gute Führungskraft auszeichnet. Aus den zahlreichen Antworten hat der Konzern acht zentrale Eigenschaften für Führungskräfte abgeleitet und ein internes Trainingsprogramm entwickelt.

People Analytics kann neben intern erfassten Informationen auch auf externe Daten zurückgreifen. So können Personalverantwortliche auf noch größere und dadurch potenziell aussagekräftigere Datenmengen zurückgreifen. Damit sind sie beispielsweise dazu in der Lage, die eigenen Mitarbeiter mit Professionals aus der Branche zu vergleichen, etwa über soziale Netzwerke wie LinkedIn.

Drei Beispiele für People Analytics in der Praxis

Neben der genannten Führungskräfteentwicklung kann People Analytics für andere Personalaufgaben eingesetzt werden. Folgende drei Beispiele illustrieren, wie dies konkret aussieht:

1. Recruiting

Das Ziel der Personalabteilung ist es, mit geringem Aufwand die Idealbesetzung für eine ausgeschriebene Stelle zu finden – und zwar in möglichst kurzer Zeit und mit wenig zeitintensiven Bewerbungsgesprächen. Die Realität sieht allerdings oftmals anders aus: Nach einer langwierigen Vorauswahl laden Personalverantwortliche die vielversprechendsten Kandidaten ein, von denen sich möglicherweise ein Großteil im Jobinterview als unpassend zur Stelle oder zum Unternehmen herausstellt.

Mit Software-Tools wie arena oder Workday können Personaler die Eigenschaften erfolgreicher Mitarbeiter im Unternehmen erfassen und systematisch auswerten. Anhand dieser Daten erstellen sie ein Profil des optimalen neuen Mitarbeiters und gleichen dieses mit den Qualifikationen der Bewerberinnen und Bewerber ab. Die Mitarbeiterbewertung im eigenen Unternehmen dient in diesem Fall dazu, unpassende Kandidaten von vornherein automatisiert auszusortieren und geeignete Bewerber möglichst schnell zu identifizieren. Mit Hilfe der großen Datenmenge gelingt eine präzisere Definition der gewünschten Kompetenzen und persönlichen Eigenschaften, in der Konsequenz treffen die Verantwortlichen bessere, schnellere Personalentscheidungen.

2. Mitarbeiterbindung

Ist es einem Unternehmen gelungen, geeignete Fach- und Führungskräfte für sich zu gewinnen, möchte es diese möglichst lange an sich binden – allein schon aus Kostengründen. Schließlich ist das Recruiting verglichen mit dem durchschnittlichen Jahresgehalt eines Angestellten deutlich teurer. Vorreiter Google stellte mit Hilfe von People Analytics fest, dass hochqualifizierte Mitarbeiter im Schnitt nach dreieinhalb Jahren kündigen – genau der richtige Zeitpunkt also, um der Kündigung vorzubeugen und in einem Entwicklungsgespräch den nächsten Karriereschritt aufzuzeigen.

Das Tool Insight Applications etwa weitet diesen Ansatz aus und greift auf Unternehmensdaten zurück, wertet aber gleichzeitig aktuelle Stellenausschreibungen auf Online-Plattformen aus. So ermittelt die Software, welche Qualifikationen gerade auf dem Arbeitsmarkt besonders gefragt sind. Kombiniert man nun diese Erkenntnisse mit weiteren Informationen über den Mitarbeiter, etwa der letzten Gehaltserhöhung, lässt sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhersagen, ob ein Angestellter geneigt ist, das Unternehmen zu verlassen oder nicht. Die Mitarbeiterbindung erhöhen Führungskräfte – der Software zufolge – nicht allein mit einer Gehaltserhöhung, sondern vor allem, indem sie ihren Mitarbeitern besser passende, herausfordernde Aufgaben zuweisen.

3. Altersanalyse / Strategische Planung

Bekannt ist, dass Unternehmen sich auf den demographischen Wandel einstellen müssen, und dies in vielerlei Hinsicht. Vorausschauende, strategische Personalplanung hat dabei einen hohen Stellenwert. Mit People Analytics-Tools wie ASApro2, HCScore3 oder demoBib können Unternehmen beispielsweise den Fall simulieren, dass ein Großteil der Führungskräfte innerhalb der nächsten fünf, zehn oder zwanzig Jahre in den Ruhestand verabschiedet wird. So wird deutlich, welche Qualifikationen das Unternehmen mit dem Weggang langjähriger Mitarbeiter verliert. Welche Kompetenzen können die verbleibenden Mitarbeiter zum jetzigen Zeitpunkt ersetzen, welche nicht?

Eine solche Simulation erlaubt die datengestützte Personalbeurteilung der vorhandenen Angestellten. Auf diese Weise erkennen Geschäftsführung und Personalverantwortliche frühzeitig, welche Weiterqualifizierungen sinnvoll und notwendig sind, um auch in Zukunft auf das im Unternehmen vorhandene Wissen der erfahrenen Mitarbeiter zurückgreifen zu können. So wird People Analytics zum Hilfsmittel für vorausschauendes, nachhaltiges Wissensmanagement.

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Welche Chancen und Risiken bietet People Analytics in Unternehmen?

Nach den beispielhaften Anwendungsszenarien stellt sich die Frage: Lohnt sich der Einsatz von People Analytics in Unternehmen – und welchen Nutzen haben Mitarbeiter und Bewerber davon? Was dafür, was dagegen spricht:

Vorteile

Objektivität statt Willkür

Ein Vorteil datengestützter Personalentscheidungen ist das größere Maß an Objektivität. Denn in der Realität basiert die Wahl eines Kandidaten oftmals nur zum Teil auf nachvollziehbaren Kriterien. Das Bauchgefühl gibt nicht selten den Ausschlag. Grundsätzlich falsch ist das nicht. Aber darin steckt auch ein gewisses Risiko, denn eine Fehlbesetzung kostet letztlich bares Geld: das Recruiting verursacht Kosten und während der Einarbeitung ist der neue Mitarbeiter noch nicht so produktiv. Bei dauerhaft unterdurchschnittlichen Leistungen wird diese Anfangsinvestition auch nicht mehr ausgeglichen. People Analytics kann helfen, Personalentscheidungen mit verlässlichen Daten abzusichern – und das ist letztlich auch für Bewerber fairer, da die Einstellung weniger willkürlich ist.

Genauere Informationen über Unternehmen und Branche

Manchen Unternehmen fehlt schlicht der Überblick darüber, welche Eigenschaften, Qualifikationen und Kompetenzen die eigenen Mitarbeiter haben. Das kann zum Wettbewerbsnachteil werden, wenn Potenziale ungenutzt bleiben oder durch Ausscheiden langjähriger Fach- und Führungskräfte verloren gehen.

Mitarbeiterbindung verbessern

Mit den verfügbaren Daten und Informationen können Unternehmen ihre Mitarbeiter nicht nur präziser beurteilen, sondern teilweise sogar deren Bedürfnisse antizipieren. Bevor etwa Kündigungswünsche entstehen, können Führungskräfte gezielt auf ihre Mitarbeiter zugehen und attraktive Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen – und so wertvolles Know-how für das Unternehmen sichern.

Nachteile

Datenschutz und rechtliche Einschränkungen

Einer der wichtigsten Einwände gegen die Verwendung von Big Data im Personalwesen ist sicherlich der Datenschutz. Denn bei den notwendigen Informationen handelt es sich in der Regel um personenbezogene Daten, für deren Erfassung es in Deutschland strenge rechtliche Auflagen gibt. Willigen die Mitarbeiter in die Abfrage bestimmter Informationen ein, z. B. weil sie die eigenen Vorteile als überwiegend bewerten, sollten Unternehmen unbedingt jederzeit transparent kommunizieren, wofür welche Daten verwendet werden (können). Datenschutz ist ein hohes Gut, und auch Presse und Öffentlichkeit beobachten das Thema sehr genau. Leisten sich Unternehmen hier größere Pannen, kann dies deren Ruf nachhaltig schädigen.

Größere Datenmengen erforderlich

Big Data wirklich sinnvoll einzusetzen, braucht es verlässliche Daten. Kleinere Datenmengen sind in der Regel nicht sehr aussagekräftig. So kommt People Analytics für kleinere und mittlere Unternehmen nur eingeschränkt in Frage.

Angst vor dem „gläsernen Mitarbeiter“

Datenschutz ist ein hohes Gut – insbesondere personenbezogene Daten sind sehr sensibel. Neben Konto- und Kreditkartennummern lassen sich auch vermeintlich harmlosere Informationen wie die Anschrift, das Kfz-Kennzeichen oder die Telefonnummer missbräuchlich verwenden. Nicht nur deshalb, sondern auch aus ethisch-moralischen Gründen müssen sich Mitarbeiter jederzeit selbstverständlich darauf verlassen können, dass ihr Arbeitgeber ihre Privatsphäre schützt. Fest steht jedoch: Selbst wenn Unternehmen private Daten ihrer Mitarbeiter nicht selbst weitergeben, können sie doch in die Hände von Kriminellen fallen – 100-prozentigen Schutz gibt es schließlich nicht.

Fazit

Um People Analytics entsteht momentan ein kleiner Hype. Wie die genannten Beispiele zeigen, wird es teilweise bereits effektiv eingesetzt. Insgesamt aber ist die Verbreitung in Deutschland und Europa noch sehr gering. Experten gehen bislang davon aus, dass es noch einige Jahre dauern wird, bis sich die Tools durchsetzen. In Deutschland sind es vor allem die hohen Auflagen des Datenschutzes, die People Analytics erschweren. Schließlich benötigen Unternehmen, die personenbezogene Daten erfassen wollen, die Zustimmung der Betroffenen bzw. des Betriebsrats. Derartige Konflikte vermeiden Unternehmen in der Regel – insbesondere dann, wenn den Personalabteilungen möglicherweise gar nicht klar ist, was People Analytics für sie leisten kann oder soll. Zu berücksichtigen ist auch, dass hinter dem Begriff mitunter klassische Aufgaben des Personalcontrollings stecken und nicht immer etwas wirklich Neues. Unternehmen sollten daher z. B. Tools genau daraufhin überprüfen, welchen Mehrwert sie tatsächlich versprechen – und im Ergebnis auch halten. Bei der ganzen Diskussion um Big Data und People Analytics muss auf jeden Fall der Nutzen sehr genau gegen mögliche Nachteile abgewogen werden – eine anhaltende Diskussion, bei der Unternehmen, Politik und Gesellschaft gleichermaßen gefordert sind.