Zwei Männer untersuchen Roboterarm

Wie Cobots die Zukunft der Industrie verändern

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Berlitz

Dass Roboter dem Menschen in vielen Industrien zur Hand gehen, ist nicht neu. Doch in jüngster Zeit ist eine neue Art dieser Helfer auf dem Vormarsch: sogenannte Cobots, also Collaborative Robots bzw. kollaborative Roboter. Im folgenden Beitrag erklären wir, was Cobots ausmachen, wo sie bereits eingesetzt werden – und wie sie die Arbeitswelt von morgen beeinflussen könnten.

Hohe Roboterdichte in Deutschland

Wer „Roboter in der Arbeitswelt“ hört, denkt schnell an die Schlagworte Automatisierung, Rationalisierung oder Industrie 4.0 (also die Digitalisierung der Industrie) – und damit an die Bedrohung von Arbeitsplätzen. Sicher, manche Berufe werden sich verändern, vielleicht sogar tatsächlich wegfallen. Solche Befürchtungen wurden durch die Studie „The Future of Employment“ verstärkt, die die Ökonomen Carl Benedikt Frey und Michael Osborne 2013 veröffentlicht haben. Darin prognostizieren sie, dass rund die Hälfte aller Jobs in den USA gefährdet ist. Für Deutschland haben Wissenschaftler nach deren Methode immerhin 42 Prozent ermittelt. Dabei haben sie allerdings nicht die unterschiedlichen (Aus-)Bildungssysteme, insbesondere die deutsche Handwerkerausbildung, berücksichtigt, weshalb eine simple Übertragung der Methodik problematisch erscheint. In der Diskussion geht meist unter, dass Deutschland in puncto Roboterdichte schon heute weltweit zur Spitzengruppe gehört – nur in Südkorea und Japan sind mehr Roboter im Einsatz.

Mit den Cobots kommt nun eine neue Generation von Robotern auf den Arbeitsmarkt. Doch was ist damit gemeint?

Was sind kollaborative Roboter?

Der Begriff Cobot steht für Collaborative Robot, auf Deutsch „kollaborativer Roboter“. In der Bezeichnung steckt bereits ein wesentlicher Unterschied zu den bisher hauptsächlich eingesetzten Industrierobotern: Sie sind so konzipiert, dass sie mit Menschen zusammenarbeiten können. Daher spricht man auch von Mensch-Roboter-Kooperation bzw. -Kollaboration (MRK).

Damit die Zusammenarbeit zum Beispiel in der industriellen Fertigung gelingt, sind Cobots und Menschen nicht durch spezielle Schutzvorrichtungen voneinander getrennt. Die Cobots sind jedoch mit Sensoren ausgestattet, die kontinuierlich den Abstand zum Menschen messen. Wird dieser zu gering, stoppt der Helfer sofort seine Bewegung, sodass der Mensch nicht verletzt wird.

Cobots übernehmen zum Beispiel in der industriellen Fertigung körperlich anspruchsvolle Aufgaben wie das Heben oder Tragen schwerer Bauteile. Ihre menschlichen Kollegen konzentrieren sich derweil auf Tätigkeiten, bei denen sehr spezifische Fähigkeiten erforderlich sind, etwa eine komplexe Montage oder die Fehlerbehebung. Durch die MRK können Arbeitsprozesse insgesamt intelligenter und daher effizienter gesteuert werden. Dies ist insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen von Vorteil. Denn mit effizienten Arbeitsabläufen lässt sich günstiger produzieren, sodass sich auch kleinere, in der Regel teurere Stückzahlen für sie lohnen.

Roboter als Fahrer – und als Führungskräfte?

Neben der industriellen Fertigung können Cobots beispielsweise in Transport und Logistik eingesetzt werden. Im weiteren Sinne sind auch selbstfahrende Autos Cobots, wie sie von Unternehmen wie Tesla, Apple, Google oder Uber entwickelt werden. Auch wenn die Serienproduktion solcher Fahrzeuge vermutlich erst in einigen Jahren startet: Die Frage ist längst nicht mehr, ob solche „Roboterautos“ kommen, sondern nur noch, wann und zu welchen Bedingungen. Dann könnten beispielsweise Logistikunternehmen Pakete von solchen intelligent gesteuerten Transportfahrzeugen ausliefern lassen. Der weltweit führende Logistikkonzern DHL sieht vor allem in der Kommissionierung und der Verpackung ein mögliches Betätigungsfeld für Roboter.

Auch routinemäßige Schreibaufgaben, die Auftragsabwicklung oder die Buchhaltung könnten in Zukunft vom Kollegen Roboter übernommen werden. Davon wären immerhin rund 1,6 Millionen Menschen betroffen.

Apropos Büro: Für eine Studie hat die Technische Universität Darmstadt mehr als 700 Führungskräfte und Angestellte aus Deutschland und den USA gefragt, ob sie sich Roboter als Kollegen oder gar Vorgesetzten vorstellen können. Überraschend häufig hielten es die Befragten für möglich, dass Roboter Gefühle zeigen können – mehr als 80 Prozent äußerten sich so. Die Sache mit den Gefühlen ist der Umfrage zufolge jedoch ambivalent. Auf der einen Seite schätzt rund ein Fünftel das (mutmaßlich) verlässliche Verhalten eines Roboters und würde ihm als Kollegen deshalb mehr vertrauen. Auf der anderen Seite können sich nur acht Prozent der deutschen bzw. 15 Prozent der amerikanischen Studienteilnehmer einen Cobot als Chef vorstellen. Denn der habe z. B. kein Verständnis für die familiäre Situation oder andere Probleme, die sich temporär oder dauerhaft auf den Job auswirken können. Das sind jedoch theoretische Überlegungen, denn ganz so weit ist die Technik dann doch nicht.

Ersetzen Cobots menschliche Arbeitskräfte?

Insgesamt ist die Gefahr, durch einen Roboter vollständig ersetzt zu werden, noch ziemlich gering. Zu diesem Ergebnis kommen jedenfalls Forscherinnen vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Sie haben das aktuelle Substituierbarkeitspotenzial unterschiedlichster Berufe berechnet und argumentieren: Bevor man sich darüber Gedanken macht, welche Jobs in Zukunft durch die Industrie 4.0 wegfallen könnten, sollte man den Blick auf die gegenwärtige Situation richten.

Die Wissenschaftlerinnen kommen dabei zum Ergebnis, dass das Substituierbarkeitspotenzial mit den Anforderungsniveaus abnimmt. Bei Helferberufen könnten heute z. B. 46 Prozent aller Tätigkeiten potenziell von Computern erledigt werden. Bei Expertenberufen sind es demgegenüber lediglich 18,8 Prozent. Außerdem unterscheiden die Forscher nach Berufssegmenten: Beschäftigte in der Fertigung sind demzufolge besonders gefährdet; mehr als 70 Prozent der Tätigkeiten könnten prinzipiell automatisiert werden. Soziale und kulturelle Dienstleistungsberufe hingegen haben mit unter zehn Prozent ein sehr geringes Potenzial.

Insgesamt seien etwa 15 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von einem sehr hohen Substituierbarkeitspotenzial betroffen. Allerdings, so betonen die Forscherinnen, heißt das noch lange nicht, dass diese Berufe auch tatsächlich ersetzt werden. Entscheidend sei auch, ob sich mit Computern bzw. Robotern tatsächlich billiger produzieren lasse. Zudem seien ethische und rechtliche Fragen zu klären. So wird zum Beispiel die Frage zu beantworten sein, ob Roboter auch in der Pflege kranker oder älterer Menschen eingesetzt werden sollten. Und wer haftet, wenn ein autonom arbeitender Roboter einen Unfall verursacht?

Jobkiller oder Jobmotor?

Für Horrorszenarien besteht aktuell also kein Anlass – im Gegenteil: Mensch-Roboter-Kollaborationen bergen neben Gefahren eben auch Chancen. Darauf weist zum Beispiel Jörg Hofmann, Vorsitzender der IG Metall, hin. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass der Mensch weiterhin die Hauptrolle in der Arbeitswelt spiele. MRK seien dann sinnvoll, wenn sie die Produktivität von Unternehmen und damit die Wertschöpfung in Deutschland stärken – etwa durch niedrigere Arbeitskosten und gesündere Arbeitsbedingungen. Gerade für kleinere und mittlere Unternehmen ergeben sich hier erhebliche Potenziale, wenn sie ihre oftmals extrem spezialisierte Fertigung auf einem sehr hohen technischen Niveau automatisieren und dadurch die eigene Wettbewerbsposition und in der Folge auch Beschäftigung sichern.

Ob die Cobots am Ende mehr Vorteile oder Nachteile bringen, wird vor allem davon abhängen, in welchen Arbeitsbereichen und unter welchen Bedingungen sie eingesetzt werden. Neben Kostenfragen ist dabei entscheidend, dass die Arbeitssicherheit jederzeit garantiert ist. Im betrieblichen Tagesgeschäft kommt es nicht zuletzt auf die Bedienbarkeit an: Kann man also zum Beispiel den Arm des Cobots führen und so einen bestimmten Handgriff einprogrammieren? Lässt sich der Roboter-Kollege also von seinem Vorarbeiter einfach anlernen, dann wird die Akzeptanz steigen – und so betrachtet klingt die Industrie 4.0 doch im Grunde ziemlich menschlich, oder?